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Karl-Heinz Bringer

geb.: 16. Juni 1908 in Elstertrebnitz bei Pegau

gest.: 2. Januar 1999 in Saint-Marcel (Frankreich)

Nach vierjähriger Grundschulzeit in seinem Geburtsdorf besuchte Bringer von 1919 bis 1927 die Oberrealschule in Zeitz, machte dort sein Abitur und wollte nun Diplomingenieur werden. "Ich war von allem fasziniert, was sich bewegt." Er ließ sich 1928 in der Freien Stadt Danzig immatrikulieren. Doch schon im darauffolgenden Jahr musste er sein Studium abbrechen. Die Elstertrebnitzer Getreidehandlung seines Vaters hatte im Gefolge der Weltwirschaftskrise Konkurs anmelden müssen. Den Eltern war es nun unmöglich, weiter das Geld für das Studium ihres Sohnes aufzubringen. Jetzt hieß es für Karl-Heinz Bringer das so hoffnungsvoll angestrebte Ziel auf einem anderen, weit schwierigerem Wege zu erreichen. Er begann 1930 bei der ATG Großzschocher (OT von Leipzig) eine Schlosserlehre, die er 1932 mit der Ablegung der Gesellenprüfung abschloss. Zeitgleich qualifizierte er sich durch Schulbesuche nach Feierabend und an Sonntagen in Leipzig zum Ingenieur. Es folgten nun Tätigkeiten in verschiedenen Betrieben. Während dieser Zeit machte er mehrere patentreife Erfindungen, so beispielsweise ein stufenloses Getriebe für Autos, wofür die Zeit aber noch nicht reif war. Dann begann der zweite Weltkrieg und Karl-Heinz Bringer wurde am 15. August 1939 zur Heeresdienst eingezogen Zwei Wochen später marschiert er mit der Wehrmacht in Polen ein, später findet er sich in Calais wieder. Am 15. September 1940 wurde er in die Heeresversuchsanstalt Peenemünde berufen, wo Wernher von Braun mit der Elite deutscher Techniker erfolgreich an der A 4, der ersten flüssigkeitsgetriebenen Rakete der Welt arbeitete.

Das in den USA von Wernher von Braun ausgestellte Arbeitszeugnis über die Tätigkeit Karl-Heinz Bringers in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde

 

Seinen Wohnsitz hatte Karl-Heinz Bringer von 1928 bis 1945 in Pegau.

"Ich arbeitete am Antrieb der Rakete V2. Damit uns die feindlichen Armeen nicht zu schnell entdeckten, hat man uns gegen Kriegsende nach Bayern verlegt. In Garmisch-Partenkirchen waren wir in einem ehemaligen Sanatorium untergebracht. Dort sind wir geblieben, bis die Amerikaner kamen. Sie haben uns in zwei Gruppen eingeteilt, weil mehrere Länder an einigen ‘Köpfen’ interessiert waren: die USA, Frankreich, England. Ich bin zuerst bei den Engländern gewesen. Sie haben meine Kollegen und mich an die Nordsee, ans andere Ende von Deutschland, verlegt. Dort haben die anderen und ich sechs oder sieben V2 in Richtung Norwegen abgeschossen. Nicht ‘auf’ Notwegen. Das waren nur Versuche. Die Engländer hatten die Absicht, die Ingenieure dieser Aktion für sich zu behalten. Ich habe daraufhin 5 Monate bei Hamburg gearbeitet. Die Engländer hatten mir ein Angebot gemacht. Ich war gerade dabei, die Papiere auszufüllen, als zur gleichen Zeit ein französisches Angebot eintraf. Dies erschien mir vorteilhafter: die Engländer beschränkten die Zone, in der wir uns bewegen konnten, auf 15 Kilometer, während das französische Angebot keine Einschränkung enthielt. Wir haben mit einigen Kollegen diskutiert und uns entschlossen, das Angebot der französischen Regierung zu akzeptieren. Daraufhin sammelte man in Fribourg die Deutschen, die nach Vernon zur Arbeit sollten. Man hat uns in zwei Gruppen aufgeteilt: eine für die Antriebstechnik, zu der ich gehörte, und eine für die Steuerungstechnik. Wir waren 30 in jeder Gruppe. Es gab da noch eine dritte Gruppe: die Gruppe Maybach, eine aus ca. 30 Spezialisten für Panzermotoren bestehende Gruppe, die aus Friedrichshafen kam."

 

  Bringer mit "seiner" "Vicing"

 

 

Bringer entwickelte 1965 im LRBA (Laboratorium für ballistische und aerodynamische Forschungen) auf dem Plateau von Vernon den Flüssigkeitsraketenmotor "Viking", mit dem die erste und zweite Stufe der Europarakete "Ariane" ausgerüstet wurde. Der erste erfolgreiche Start einer Ariane erfolgte am 24. Dezember 1979. Bringer war stolz darauf, dass keiner der vielen Ariane-Fehlstarts durch das Versagen seines Motors verursacht wurde.

Die Viking-Motoren wurden bis 1995 bei allen Ariane-Missionen eingesetzt und danach durch den neuen Raketenmotor "Vulcain" abgelöst.

 

 

Bringers Leistung in der Sicht des Experten:

Die Kreativität war die besondere Stärke der Deutschen. Die Ideen eines Heinz Bringer sowie das originelle Konzept der Aufstiegssteuerung der »Veronique« durch Kabel, das man Dr. Wolfgang Pilz verdankt, als auch die erste unbewegliche Lageplattform von 1958 und eine Anzahl unterschiedlicher Autopiloten, die den Gedanken von Dr. Otto Müller entsprangen, wie auch die magnetisch aktiven Plattformen, die mit dem Namen Helmut Habermann verbunden sind, führten recht früh-zeitig zu den Erfolgen der französischen Raketentechnik.

Insgesamt arbeiteten 123 deutsche namentlich bekannt gewordene Spezialisten in Frankreich an Großraketen. Es ist bemerkenswert, daß es sich fast um die gleiche Anzahl Raketenfachleute handelte, wie sie jeweils für die USA und die Sowjetunion tätig waren. Auch die Ergebnisse der »französischen« Kollegen können sich sehen lassen.

Michels, Jürgen; Peenemünde und seine Erben in Ost und West, Bonn 1997, S. 282